Geschichte der Sonnen-Apotheke

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Ein Haus mit langer Geschichte

Das Haus der heutigen Sonnen-Apotheke hat eine lange und bewegte Geschichte. Nachdem Wilhelm Schiefer aus Böblingen 1875 das Haus erworben hatte, nannte er seine Schankwirtschaft „Zum goldenen Hahnen“. Nach einigen Besitzerwechseln war der „Goldene Hahnen“ schnell ein beliebter Treffpunkt Reutlinger Bürger und Marktbeschicker während der Wochen- und Viehmärkte. Schon damals war die Lage des Hauses in der unteren Wilhelmstraße am Karlsplatz sehr vorteilhaft für Geschäftsleute und Kunden. Das Bild oben links zeigt die beschauliche Atmosphäre des „Goldenen Hahnen“ im Jahre 1905 recht anschaulich. Hier wurde schon damals manches Geschäft per Handschlag besiegelt und vermutlich auch recht zünftig gefeiert.
Ganz anders die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Bild oben rechts erkennen wir, wie das Traditionshaus in Schutt und Asche lag. Im Hintergrund ist die zerstörte Nikolaikirche und ganz links der Gerberbrunnen zu erkennen.
Jetzt galt es die Ärmel hochzukrempeln und neu aufzubauen. Im Rahmen des Wiederaufbaus des gesamten Viertels zwischen Nikolaiplatz bis zum Karlsplatz, das als „Adlerblock“ in die Wiederaufbaugeschichte eingegangen ist, wurde auch die Nummer 10 vom Besitzer Hugo Stoll wieder aufgebaut.

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Seit Generationen eine Apothekerfamilie

Bereits im 19. Jahrhundert betrieb Familie Merz die „Merz´sche Apotheke„ in Bad Mergentheim. Diese stattliche Apotheke wurde mangels eines Nachfolgers in der Familie verkauft. Erst nach seiner Zeit als Freiwilliger im Ersten Weltkrieg wandte sich der Vater von Rolf Merz dem Pharmaziestudium zu und führte so die Tradition der Apothekerfamilie Merz weiter. Rolf Merz, der Gründer der Sonnen-Apotheke, studierte wie sein Vater und Großvater in Würzburg, allerdings in den 50er Jahren teilweise noch in „Ruinen“ des zweiten Weltkrieges. Nachdem der Umbau des „Hahnen“ zur Sonnen-Apotheke in der Wilhelmstraße 10 vollendet war und der Regelbetrieb am 20.8.1960 aufgenommen werden konnte, war Rolf Merz auch in vielen Gremien kommunalpolitisch und ehrenamtlich engagiert. Das Bild zeigt sein Engagement während des Wahlkampfes für den langjährigen Oberbürgermeister Reutlingens Dr. Oechsle im Jahr 1973. Das Bürgerkomitee Reutlingen diskutierte ausgiebig vor der Sonnen-Apotheke mit interessierten Bürgern Reutlingens.

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Die Sonnen-Apotheke entsteht

Nachdem der „Goldene Hahnen“ nach dem Wiederaufbau des Hauses etwa 10 Jahre betrieben worden war, deutete eine erste Notiz in den „Reutlinger Nachrichten“ vom 9.4.1960 auf die Sonnen-Apotheke hin. Dort hieß es: Wie verlautet, wird in absehbarer Zeit im Hotel-Restaurant „Goldener Hahn“ in der Wilhelmstraße eine Veränderung eintreten. Das Restaurant soll aufgegeben, das Hotel jedoch als Hotel garni weitergeführt werden. In den dadurch freiwerdenden Räumen der Gaststätte soll eine Apotheke eingerichtet werden. Die Verhandlungen darüber sind im Gange, jedoch noch nicht abgeschlossen. Ein Gedicht aus dieser Zeit nannte die Schwierigkeiten bei den Verhandlungen deutlicher beim Namen: „Das Restaurant zum Goldnen Hahn, Dem Besitzer war´s Ein Dorn im Zahn, ´ne Apotheke wollt er haben, Die Merzen sollten sich dran laben! Die Konkurrenz war auch im Spiele, wohl mit dem Ziele, dem Hirschen etwas abzuknüpfen.“ Als im August 1960 die Betrieberlaubnis für die Sonnen- Apotheke erteilt und die Niederlassungsfreiheit für Apotheken in Kraft getreten war, konnte Rolf Merz mit vier Mitarbeitern im Erdgeschoss des Hauses starten. Das Besondere an der Planung und Ausführung der Apotheke war deren Ausstattung „ganz in weiß“, was fast als revolutionär besonders von der Fachwelt empfunden wurde.

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In der Wilhelmstraße geht die „Sonne“ auf...

So titelte der GEA am 20. August 1960. Zunächst wird berichtet, dass sich die Sonnen-Apotheke als zehnte Apotheke in Reutlingen mit dem Apotheker Rolf Merzniedergelassen hat, was mit einem verschärften Konkurrenzkampf einherginge.
In dem Bericht lesen wir weiter:
„Durch die Einführung der Niederlassungsfreiheit anstelle des herkömmlichen Konzessionssystems ist zwar im äußeren Gefüge des Apothekenrechts eine Änderung eingetreten, nicht aber in der Stellung des Apothekers als eine Mittels- und Vertrauensperson zwischen Arzt und Patient.

Freundlich und ansprechend
Freundlich und ansprechend wie der Name „Sonnen- Apotheke“ ist auch die Ausstattung der neuen Apotheke. Es ist eine große, helle Offizin von etwa 70 Quadratmetern entstanden, in die durch große Scheiben das Tageslicht hereinflutet. Mit Ausnahme des in Naturholz gefertigten Handverkaufstisches sind alle Tische, Schränke und Regale aus einem weißen Kunststoff gefertigt und verkaufstechnisch so gruppiert, dass auch bei Stoßbetrieb eine rasche Bedienung des Käufers gewährleistet ist.

Das Suchen erleichtern
Sogenannte Freiwahl-Regale in denen bestimmte Warengruppen, wie z.B. Artikel für Körperpflege und Krankenpflege, zusammengefasst sind, erleichtern dem Suchenden die Auswahl und zeigen ihm gleichzeitig das breite Angebot des einschlägigen Gebietes. Eine Spezial-Abteilung für Säuglingspflege und Säuglingsernährung spricht besonders die Mutter und die werdende Mutter an, und in einer weiteren Spezialabteilung für Reformartikel und Diät findet man Präparate zur Krankheitsvorbeugung.

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Gewandeltes Gesicht eines modernen Verkaufsraums

Darauf wiesen die „Reutlinger Nachrichten“ dezidiert hin, was die standespolitische Fachwelt in ungewöhnlich scharfer Form kritisierte (s.u.). In den „Nachrichten“ heißt es dazu:
„Das übliche Braun des Apotheken-Inneren, der Offizin, ist fast ganz gewichen, alles strahlt in hellstem Weiß, und die zahllosen für den Laien oft so geheimnisvollen Kolben, Fläschchen und Flaschen, springen dem Apothekenkunden nicht mehr in die Augen, wenn er den Verkaufsraum betritt, sondern helle und bunte Verpackungen eines Verkaufsangebots, das von Diät-Nahrungsmitteln bis zur Kosmetik und zur Säuglingspflege geht.
Die Kolben und Fläschchen wie die ganze Rezeptbearbeitung sind sozusagen „hinter den Verkaufsraum“ getreten, von ihnen sieht man nichts mehr, obwohl natürlich dieser echten Apothekenbestimmung derselbe Raum eingeräumt ist wie seit jeher. Sie ist dem Blick des Kunden nur entzogen.

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Aufbau- und Kräftigungsmittel...

Aufbau- und Kräftigungsmittel, Stärkungsmittel, Fruchtsäfte und vieles andere mehr. Mehr als ein hübscher Schmuck ist der kleine plätschernde Brunnen in der Apotheke: Wer an Ort und Stelle eine Tablette einnehmen will, kann das Trunkwasser hier schöpfen.

Sehr modern und genau so blitzblank und blitzend wie die Einrichtung der Offizin ist die Ausstattung der „Werkstatt“ des Apothekers: Die allopathische und homöopathische Rezeptur, das Büro, das Nachtdienstzimmer, das Labor, die Vorratsräume, die Materialkammern und die Lagerräume für Pflanzenextrakte und Salben im Keller.

Arznei aus aller Welt
Anlässlich der Eröffnung der neuen „Sonnen-Apotheke“ wird im Schaufenster unter dem Motto „Arzneimittel aus der ganzen Welt“ eine kleine Ausstellung gezeigt, mit der besonders darauf hingewiesen wird, dass die Apotheke auch über ein reiches Lager an inund ausländischen Arznei-Spezialitäten verfügt.

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Der große Umbau 1995

„Stillstand ist Rückschritt“ – dies schien die treibende Motivation zu sein, die Apotheke 1995 grundlegend zu modernisieren und nach den neuesten Erkenntnissen der Verkaufsraumgestaltung und des Verkaufsangebots zu gestalten.
Zuerst fiel nach dem Umbau der offene Eingangsbereich auf, der die Kunden auch heute noch in den Verkaufsraum einlädt und sie über die automatische Türöffnung bequem eintreten lässt. Über die Neugestaltung der Sonnen-Apotheke war im GEA zu lesen:.
„Auffallend viele Reutlinger Apotheken erfahren derzeit Verjüngungskuren. So auch die seit 1960 in der Wilhelmstraße 10 bestehende Sonnen-Apotheke. In einer Umbauzeit von rund vier Wochen – der Verkauf ging weiter – ließen die Inhaber, Rolf Merz und sein Sohn Wolfgang, den 80 Quadratmeter großen Verkaufsraum völlig neu gestalten…
Die Freiwahl, also der Bereich, in dem der Kunde sich selbst bedient, wurde in diesem Zug deutlich ausgebaut und vergrößert. Sortiment und Service wurden aufgestockt beziehungsweise verbessert. Zum Letzeren gehören auch Dienstleistungen wie Bestimmung des Cholesterinwerts oder Blutdruckmessen…
Dank des Einbaus neuen Inventars und der Installation modernster Technik entsprechen die Leistungen der Apotheke heute den Patienten- und Kunden-Ansprüchen innerhalb des Gesundheitswesens.“

Standespolitische Kritik

In „Die Krankenhaus-Apotheke“, einer Beilage der Deutschen Apotheker-Zeitung äußerte sich Apothekendirektor Professor Kaiser in einem Vortrag deutlich zur Einrichtung moderner Apotheken im Allgemeinen und der Sonnen-Apotheke im Besonderen. Dort heißt es:
„Das Gesicht der öffentlichen Apotheken hat sich in den letzten Jahren, besonders bei neu errichteten oder umgebauten Apotheken, meistens total verändert.
Das ist vor allem aus drei Veröffentlichungen der letzten Zeit zu entnehmen. Die Zeitschrift „neue Läden“ bringt in Heft 3 vom Juni 1961 Erläuterungen und Abbildungen von 14 neuen Apothekeneinrichtungen … Selbst wenn man für neuzeitliche Verbesserungen aufgeschlossen ist, kommt man beim Studium mancher dieser Bilder einfach nicht mit. Verspiegelte Rückwände, Warengondeln, Warenpilze und dergleichen machen die Apotheke mit den vielen Spezialitäten, Kindernährmitteln, Kosmetika und dergleichen zu einem Gemischtwarengeschäft, vor allem wenn man die „Rezeptur“ häufig fast suchen muss.
Freiverkäufliche Waren werden auch schon für Selbstbedienung zur Schau gestellt. Das sollte aber nur dort zulässig sein, wo es gleichzeitig ausgeschlossen ist, sich auch mit apothekenpflichtigen Waren selbst zu bedienen!
Wenn hinter einem Handverkaufstisch unendlich viele kleine Packungen von Spezialitäten offen auf Regalen aufgestellt sind, so hat das mit Reklame nichts mehr zu tun, denn kein Kunde, der vor dem Handverkaufstisch steht, kann die Namen dieser Spezialitäten entziffern. Hier könnte man mit wechselnden Glas-Holzschiebetüren ein viel ruhigeres Bild schaffen.“

Die Nachfolge ist geregelt: Die Sonnen-Apotheke bleibt in der Familie ...

Als sich Wolfgang Merz, der Sohn von Rolf Merz, dem Pharmaziestudium in Freiburg zuwandte, war dies eine gute Voraussetzung, die Sonnen-Apotheke als Familienbetrieb weiterführen zu können und sie nicht aus der Hand geben zu müssen.
So trat Wolfgang Merz im Jahr 1995 in die Apotheke ein und führte sie mit dem Vater bis zum 31. Dezember 2009. Als sich die Möglichkeit ergab, die Steinach-Apotheke in Betzingen zu übernehmen, war dies ein günstiger Zeitpunkt für Rolf Merz, die Sonnen-Apotheke seinem Sohn zu übergeben. Seit 1. Januar 2010 führt nun Wolfgang Merz beide Apotheken.

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Langjährige Mitarbeiterinnen tragen wesentlich zum Erfolg bei ...

Die Geschichte der Sonnen-Apotheke ist auch dadurch gekennzeichnet, dass die Mitarbeiter viele Jahre dem Betrieb angehören und damit wesentlich zum Erfolg beitragen.
Kunden, Patientinnen und Patienten treffen bei ihren Besuchen auf wohl bekannte Gesichter und fühlen sich in „ihrer“ Apotheke immer gut betreut. Frau Kaldschmidt (links) gehört nunmehr seit 33 Jahren zur Sonnen-Apotheke und Frau Knecht arbeitet seit 25 Jahren in unserem Haus.

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